Quasimodogeniti

(1. Sonntag nach Ostern)

Wer beim Namen dieses Sonntags spontan an den Glöckner von Notre-Dame denkt, liegt überhaupt nicht falsch. Denn Quasimodo, die Figur aus Victor Hugos Roman, bekam seinen Namen nach dem Namen des 1. Sonntags nach Ostern, an dem er als Findelkind auf den Treppen von Notre-Dame aufgefunden wurde.

Wie in der Passionszeit, so bestimmen auch in der Osterzeit die Anfangsworte der Antiphon des Introitus den Namen der Sonntage:

Quasi modo geniti infantes, halleluja, rationabile sine dolo lac concupiscite, halleluja.


„Wie neugeborene Kinder, Halleluja, verlangt nach der vernünftigen, unverfälschten Milch, Halleluja.“

– 1 Petr 2,2a EU

Der Text erinnert daran, dass das Osterfest den Beginn eines neuen Lebens in Jesus Christus ist und sich deshalb die Gläubigen, insbesondere die Neugetauften, „wie neugeborene Kinder“ fühlen dürfen.

Praeludium

Von J.S. Bach - dem großen Orgelmeister des Barock - gibt es zahlreiche Praeludien und Fugen, die sich in ihrem Charakter gut verschiedenen Kirchenjahreszeiten zurechnen lassen. Die Verwendung musikalisch-rhetorischer Figuren übermittelt zudem verschiedene außermusikalische Inhalte. Das Praeludium G-Dur könnte gut so z.B. am Beginn eines österlichen Gottesdienstes erklungen sein. Schon der Beginn wirkt wie ein Abbild des österlichen Bezwingens des Todes: Nach einer aufsteigenden Fanfare stürzt das Laufwerk in die tiefsten Tiefen der Klaviatur hinab (rhet. Figur: "Catabasis"), um daraufhin gleich wieder stürmisch nach oben zu steigen (rhet. Figur: "Anabasis") und in einen fast triumphalen Beginn zu münden. Mit seinem tänzerischen Baßmotiv, den festlichen Akkorden und dem virtuosen Laufwerk voller Spielfreude wirkt das Stück wie ein einziges freudiges Concerto zur Osterzeit.

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Traugott Mayr an der Orgel der Dreifaltigkeitskirche Kaufbeuren (Quelle: https://www.coronale-kaufbeuren.de)

Psalm

Als Psalm dieses Sonntags ist Ps. 116 vorgesehen. Der Psalmbeter dankt Gott, der ihn aus „den Stricken des Todes“ errettet hat. Eine österliche Thematik.

Hier eine Vertonung von Heinrich Schütz (1585-1672), der wie kein Zweiter den italienischen Stil, den er in Venedig bei Giovanni Gabrieli kennengelernt hatte, mit deutschen Bibeltexten verknüpfte und zu einer stimmigen Synthese führte.

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Dresdener Kammerchor, Ltg:: Hans-Christoph Rademann

Das ist mir lieb, dass der HERR meine Stimme und mein Flehen hört. / Denn er neigte sein Ohr zu mir; darum will ich mein Leben lang ihn anrufen. / Stricke des Todes hatten mich umfangen, / des Totenreichs Schrecken hatten mich getroffen; ich kam in Jammer und Not. / Aber ich rief an den Namen des HERRN: Ach, HERR, errette mich! / Der HERR ist gnädig und gerecht, und unser Gott ist barmherzig. / Der HERR behütet die Unmündigen; wenn ich schwach bin, so hilft er mir. / Sei nun wieder zufrieden, meine Seele; denn der HERR tut dir Gutes. / Denn du hast meine Seele vom Tode errettet, mein Auge von den Tränen, meinen Fuß vom Gleiten. / Ich werde wandeln vor dem HERRN im Lande der Lebendigen. / Ich glaube, auch wenn ich sage: Ich werde sehr geplagt. / Ich sprach in meinem Zagen: Alle Menschen sind Lügner. / Wie soll ich dem HERRN vergelten all seine Wohltat, die er an mir tut? / Ich will den Kelch des Heils erheben und des HERRN Namen anrufen. / Ich will meine Gelübde dem HERRN erfüllen vor all seinem Volk. / Der Tod seiner Heiligen wiegt schwer vor dem HERRN. / Ach, HERR, ich bin ja dein Knecht, / ich bin dein Knecht, der Sohn deiner Magd; du hast meine Bande zerrissen. / Dir will ich Dankopfer bringen und des HERRN Namen anrufen. / Ich will meine Gelübde dem HERRN erfüllen vor all seinem Volk 19 in den Vorhöfen am Hause des HERRN, in deiner Mitte, Jerusalem. Halleluja!

 
Weißer Sonntag

Der Sonntag Quasimodogeniti ist zugleich der letzte Tag der sog. „Osteroktav“, der traditionellen achttägigen Festzeit des Osterfestes. An diesem Tag war es üblich, dass die in der Osternacht Getauften mit ihren weißen Taufgewändern in die Kirche kamen, weswegen dieser Sonntag auch „Weißer Sonntag“ genannt wird.

 

J.S.Bach

Für den Sonntag Quasimodogeniti hat Bach eine Kirchenkantate geschrieben: "Halt im Gedächtnis Jesum Christ!, BWV 67. Hier der Eingangschor:

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Netherlands Bach Society unter Jos van Veldhoven

 

Neben diversen Osterkantaten ( z.B. BWV 4 „Christ lag in Todesbanden“ oder BWV 6 „Bleib bei uns, Herr“) hat J.S.Bach auch ein „Osteroratorium“ komponiert. Wegen seiner Länge, die für ein abendfüllendes Programm zu kurz ist, jedoch den heutigen gottesdienstlichen Rahmen sprengt, wird es leider nur selten aufgeführt.

Hier eine Aufnahme aus der Waalse Kerk (Amsterdam) mit der Netherlands Bach Society unter Jos van Veldhoven:

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Traugott Mayr

 

1. SINFONIA


2. ADAGIO


3. CHOR

 

Kommt, eilet und laufet, ihr flüchtigen Füße, / Erreichet die Höhle, die Jesum bedeckt! / Lachen und Scherzen / Begleitet die Herzen, / Denn unser Heil ist auferweckt.


4. REZITATIV (A, S, T, B)

 

 

MARIA MAGDALENA

 

O kalter Männer Sinn! / Wo ist die Liebe hin, / Die ihr dem Heiland schuldig seid?

 

 

MARIA JACOBI

 

Ein schwaches Weib muss euch beschämen!

 

 

PETRUS

 

Ach! ein betrübtes Grämen

 

 

JOHANNES

 

Und banges Herzeleid

 

 

PETRUS, JOHANNES

 

Hat mit gesalznen Tränen / Und wehmutsvollem Sehnen / Ihm eine Salbung zugedacht,

 

 

MARIA JACOBI, MARIA MAGDALENA

 

Die ihr, wie wir, umsonst gemacht.


5. ARIA (S)

 

MARIA JACOBI

Seele, deine Spezereien / Sollen nicht mehr Myrrhen sein. / Denn allein

Mit dem Lorbeerkranze prangen, / Stillt dein ängstliches Verlangen.


6. REZITATIV (T, B, A)

 

 

PETRUS

 

Hier ist die Gruft

 

 

JOHANNES

 

Und hier der Stein, / Der solche zugedeckt; / Wo aber wird mein Heiland sein?

 

 

MARIA MAGDALENA

 

Er ist vom Tode auferweckt! / Wir trafen einen Engel an, / Der hat uns solches kundgetan.

 

PETRUS

Hier seh ich mit Vergnügen / Das Schweißtuch abgewickelt liegen.


7. ARIA (T)

 

 

PETRUS

 

Sanfte soll mein Todeskummer / Nur ein Schlummer, / Jesu, durch dein Schweißtuch sein. / Ja, das wird mich dort erfrischen / Und die Zähren meiner Pein / Von den Wangen tröstlich wischen.


8. REZITATIV (S, A)

 

 

MARIA JACOBI, MARIA MAGDALENA

 

Indessen seufzen wir / Mit brennender Begier: / Ach, könnt es doch nur bald geschehen, / Den Heiland selbst zu sehen!


9. ARIA (A)

 

 

MARIA MAGDALENA

 

Saget, saget mir geschwinde, / Saget, wo ich Jesum finde,

Welchen meine Seele liebt! / Komm doch, komm, umfasse mich; / Denn mein Herz ist ohne dich / Ganz verwaiset und betrübt.


10. REZITATIV (B)

 

 

JOHANNES

 

Wir sind erfreut, / Dass unser Jesus wieder lebt, / Und unser Herz, / So erst in Traurigkeit zerflossen und geschwebt, / Vergisst den Schmerz / Und sinnt auf Freudenlieder; / Denn unser Heiland lebet wieder.


11. CHOR

 

Preis und Dank / Bleibe, Herr, Dein Lobgesang. / Höll' und Teufel sind bezwungen, / Ihre Pforten sind zerstört. / Jauchzet, ihr erlösten Zungen, / Dass man es im Himmel hört. / Eröffnet, ihr Himmel, die prächtigen Bogen, / Der Löwe von Juda kommt siegend gezogen!